„1931 reiste der russische Regisseur Sergei Eisenstein nach Mexiko, um einen Film zu drehen.“ Das zumindest zeigt Peters Greenaways Film Eisenstein in Guanajuato (2015), der sich einem quasi-dokumentarischen Gestus bedient und prägnante Ausschnitte aus Eisensteins Leben herausgreift und sie fiktional auflädt. Dabei werden auf experimentelle Weise weniger Eisensteins Reise denn seine Montagetechnik vermittelt. Durch mannigfache Split-Screens, die in der Manier eines Triptychons auf die Bildfläche treten oder das Geschehen um 180 Grad drehen, wird das Schaffen des Filmemachers eindrücklich vor Augen geführt. Ausschnitte aus Eisensteins Filmen, die immer wieder in die Rahmenerzählung verstrickt werden, unterbrechen zwar die eigentliche Handlung, machen jedoch deutlich, welchen Einfluss seine Montagetheorie auf das frühe Kino hatte, ja, bis heute hat.
Zwischen dem Archivmaterial entfaltet sich sodann die Lebens- und Liebesgeschichte des Regisseurs, dessen Filme Panzerkreuzer Potemkin oder Iwan der Schreckliche wiederum Filmgeschichte schrieben. Eisenstein, der nach Mexiko gereist ist, um seinen bis heute wenig beachteten und unvollendeten Film ¡Que viva México! zu produzieren, soll jedoch ganz andere Erfahrungen in der Ferne machen: Bei seinem Aufenthalt lernt er seinen Assistenten Palomino Cañedo kennen – und lieben. Während der Filmdreh der Dokumentation höchstens am Rande der Erzählung eine Rolle spielt, geraten alsbald die homoerotischen Abenteuer des jungen Eisensteins in den Mittelpunkt des Geschehens. In ansichtsvollen Tableaus sieht man abwechselnd Lust und Begehren zum Bild gerinnen, Körper zwischen Zärtlichkeit und Exzess changieren.
Eisenstein in Guanajuato handelt im Grunde genommen weniger um die 14-monatige Mexikoreise eines Filmschaffenden. Vielmehr porträtiert Greenaway den künstlerischen Rebellen auf der Suche nach bzw. auf der Schwelle seiner sexuellen Identität, die sich mit dem Stalinregime der damaligen Sowjetunion nicht vereinbaren ließ.
(Rezension von Linda Keck)
Englisch-spanische Originalversion mit deutschen Untertiteln
FSK 0
Spieltermine: So., 04.04.16, 21:30 Uhr + Fr., 08.04.16, 21:30 Uhr
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